Von MATTHIAS REBASCHUS

Gelassen, mit festem Blick und manchmal freundlich lächelnd beantwortet Dirk A. die Fragen mit klaren Sätzen. Viel Mühe gibt er sich; wirkt eher artig als freundlich. Nur ein einziger heftiger und mit Tränen begleiteter Gefühlsausbruch zeigt seine zerrissene Seelenlage.

Schon nach einer Stunde hat der 27 Jahre alte Maler-Lehrling ein volles Geständnis abgelegt. Die geschickten und mit viel Fingerspitzengefühl vorgetragenen Fragen der Vorsitzenden Richterin Gertraut Göring fördern in den folgenden vier Stunden ein beängstigendes Bild zu Tage.

Der "Kinderfänger von Osdorf" hat am Montag vor der Großen Strafkammer des Landgerichts gestanden, in acht Fällen Kinder im Alter zwischen sechs und fünfzehn Jahren missbraucht, zu beischlafähnlichen Handlungen gezwungen, verschleppt, eingesperrt, bedroht und fast zu Tode gewürgt zu haben. Es ging immer um perverse Sexspiele, die er an sich und den Kindern vornahm und auf Video filmte.

Spektakulär endete der letzte Fall der achtjährigen Sandra (Namen geändert), die er im Mai bis zur Bewusstlosigkeit strangulierte und - als sie Blut spuckte - zur Polizei brachte. Die Beamten glaubten seine Lüge, dass er das schwer verletzte Kind nur auf der Straße gefunden habe. Doch wenig später stellte sich Dirk A. Die Polizei fand die Videos.

Der Angeklagte trägt Jeans und ein graues Sweatshirt. Nur das schüttere Stirnhaar zeigt sein Alter. Sonst wirkt der kleine, pummelige Mann mit dem pausbäckigen Gesicht jungenhaft. Die glatte und - bis auf den sehr dünnen Oberlippenflaum - bartlose Haut verstärkt den Eindruck.

1973 wird Dirk A. in Hamburg geboren. Er hat zwei ältere Schwestern. Als er elf Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Dirk A. wohnt bis zur Verhaftung bei der Mutter, die als Putzfrau arbeitet. Die Hauptschule schafft er mit Problemen, bricht zwei Lehren ab, verdient Geld als Lagerarbeiter. 1997 startet er im Betrieb eines Verwandten die dritte Lehre als Maler. Zweimal fällt er hier durch die Gesellenprüfung.

1997: Der damals 24-Jährige gibt von den 850 Mark Lehrlingslohn monatlich 100 Mark der Mutter. Er kauft einen BMW, eine Videokamera, später ein Handy und eine Waffe (die im Prozess nicht näher beleuchtet wird). Den 13-jährigen Thomas aus der Nachbarschaft macht er mit Geld gefügig. Die perversen Sexspiele mit Kindern - die später "bis kurz vor den Mord führen", so die Richterin - beginnen. Tatorte sind Wohnung und Auto.

"Zur Abwechslung von Thomas" geht der Maler-Lehrling in den folgenden drei Jahren mit dem BMW und später einem Ford Fiesta auf Suche. "Büschn rumfahren", bietet er den Kindern an. Dann immer wieder Geld. 100 Mark "fürs Tragenhelfen". 100 Mark "fürs Videogucken" ("Ich zeig dir was, du musst aber den Mund halten"). Fürs "mit ins Auto kommen"; für "büschn anfassen". Die Tricks offenbaren Verschlagenheit: Mit dem "Hilf-mir-Tragen"-Trick und dem Geldversprechen lockt er die sechsjährige Helga im April 2000 um 19 Uhr ins Auto.

Fünf Stunden lang fährt er im Warten auf Dunkelheit und in der Suche nach einem Tatort mit dem weinenden Kind durch Hamburg. Pausenlos und ohne Essen und Trinken. Millimetergenau beschreibt Dirk A. dann seine Missbrauchshandlungen.

Die Fotos vom nächsten Opfer zeigen Folterspuren. Die Würgemale am Hals der Achtjährigen leuchten feuerrot, sind größer als zwei Hände und gehen bis in den Nacken. "Das ist Blut unter der Haut", sagt Richterin Göring, als sie die Bilder den Schöffen zeigt. Bis in die Augen hat sich das Blut gestaut.

Alles sei ihm peinlich, er habe Scham, "besonders vor den Eltern der Opfer" fühle er sich "schmutzig". Kein Wort der Reue, nur ein einziges Wort der Entschuldigung, als Thomas aussagt. Da bricht es plötzlich aus Dirk A. heraus: Weinend versichert er seinem Opfer, dass er "wenigstens das Video (mit Thomas) hätte vernichten müssen".

Dirk A. erwartet eine Freiheitsstrafe, die Einweisung in eine psychiatrische Klinik und Sicherungsverwahrung.

Der Prozess wird fortgesetzt.