Sie haben Qualen, Psychoterror und Todesängste erfahren. Kaum einer mag ahnen, wieviel Kraft es Bodo Janssen und seine Eltern gekostet haben mag, die Zeit der Geiselhaft noch einmal vor Gericht zu durchleben. Doch als die drei Angeklagten das Verbrechen, mit dem sie von der Unternehmerfamilie zehn Millionen Mark zu erpressen versucht haben, im Verfahren gestanden, hörten die Opfer zu - in der Hoffnung, Antworten für sich zu finden, um vielleicht eines Tages die Tat verarbeiten zu können. Gestern, bei der Urteilsverkündung gegen die Männer, die an der Entführung des 24 Jahre alten Millionärssohnes mitgewirkt haben, kam die Familie nicht.
Mit jeweils acht Jahren Haft für zwei der Haupttäter und fünf Jahren und neun Monaten für einen weiteren Beteiligten verhängte das Landgericht langjährige Freiheitsstrafen. Doch erneut die Tat geschildert zu bekommen, die wie ein quälender Alptraum ihr Leben beeinträchtigt, das haben Bodo Janssen und seine Eltern nicht gewollt.
"Es war eine Tat, bei der das Opfer über Tage psychisch gefoltert, teilweise menschenunwürdig behandelt und zusätzlich in Todesangst versetzt worden ist", faßte der Vorsitzende Richter Peter Wölber die Entführung vom Juni 1998 zusammen. "Das Leben der ganzen Familie ist noch heute überschattet." Eine Woche lang war der Student in einer Wohnung in den Grindelhäusern gefangengehalten worden, bis seine Familie drei Millionen Mark Lösegeld zahlte. Es war eine Zeit, in der Bodo Janssen zwischenzeitlich "schon mit dem Leben abgeschlossen hatte und Todesängste litt". Geplant worden war die Tat von dem mutmaßlichen Kopf der Entführerbande, dem noch heute flüchtigen Kresimir Glamuzina, sowie dem jetzt zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Volker St. Der vorbestrafte 34jährige, der das Opfer jahrelang gekannt hatte, hatte gestanden, das Verbrechen vorbereitet, den Erpresserbrief entworfen, die Wohnung als Geiselversteck angemietet und das ahnungslose Opfer dorthin gelockt zu haben. Zudem hatte er zum Schein die Rolle einer zweiten Geisel angenommen. Damit habe er "herausragende Beiträge zur Verwirklichung geleistet", urteilte das Gericht. Nur sein "umfassendes Geständnis" und sein damit "prozeßökonomisches Verhalten" habe Volker St. vor einer deutlich höheren Strafe bewahrt. "Allerdings hat die Kammer kein Verständnis für die Schnodderigkeit und Kaltherzigkeit, mit der die Tat eingeräumt wurde." Der Hamburger scheint dies gelassen zu nehmen. Wie sonst kaum im Prozeß verzieht er auch jetzt keine Miene.
Der Mitangeklagte Fadil C., der als einer der Bewacher und Beschaffer von Nahrungsmitteln ein "untergeordneterer Mittäter" gewesen sei, werde zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, so der Richter. Die Aussage des 47jährigen, er habe von der Entführung "erst fünf Minuten vor dem Zugriff" erfahren, wertet die Kammer indes als "Schutzbehauptung", mit der er seinen Beitrag "schönzureden" versucht habe. Die gleiche Einschätzung hatte das Gericht über das Geständnis des Angeklagten Milisav S. Der 24jährige hatte sich gleichsam als "Beschützer" Bodo Janssens dargestellt.
Doch die Wahrheit sah anders aus. Das ging aus dem Geständnis von Volker St. hervor, vor allem aber auch aus der Zeugenaussage des Opfers. Darin hatte er geschildert, wie Milisav S. ihn auch beim Gang zur Toilette mit vorgehaltener Waffe begleitet habe. Ferner habe der Verbrecher ihm "in allen Einzelheiten geschildert", wie er gegebenenfalls seine Leiche beseitigen würde. Unter anderem würde er den Körper "in der Badewanne ausbluten lassen und dann zerteilen. Es war einfach schrecklich", hatte Bodo Janssen mit tränenerstickter Stimme erzählt. Außerdem hatte Milisav ihn mit der Demonstration, wie er ihn töten würde, zusätzlich gequält. Und ihn aufgefordert sich zu entscheiden, wo er verstümmelt werden wolle, um das abgetrennte Organ als Druckmittel seinen Eltern zu schicken. "Ich hatte mich für einen Finger entschieden", so der 24jährige. Mit der "psychischen Folter" habe Milisav S. das Opfer "zusätzlich in Todesangst versetzt", betonte der Vorsitzende Richter.
Die verhängten Strafen seien ein "sehr mildes Ergebnis", findet der Anwalt des Ehepaars Janssen, Wolf Römmig. "Es war eine eiskalte Straftat und ein eiskaltes Geständnis, und dann wird das hoch angerechnet." Die "heruntergespielten Geständnisse" hätten bei der Familie des Opfers "zu Unverständnis geführt", ergänzt Anwältin Kathrin Schulz, die Bodo Janssen vertritt. Wie fassungslos die Opfer immer wieder angesichts einzelner Aussagen der Angeklagten waren, hatte man der Familie angesehen. Entgeistert hatten sie immer wieder den Kopf geschüttelt. Und einander die Hände gehalten, um sich Kraft zu geben.