Ein Mann, ein Kreis - beides bringt diese Abendblatt-Serie Ihnen jeden Montag nahe. Heute Schleswig-Holsteins dienstältester Landrat.

Den Mann kann so leicht nichts mehr erschüttern. Ruhe strahlt er aus, Autorität, vor allem

aber Gelassenheit und Abgeklärtheit. Günter Kröpelin heißt er, und Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg ist er, seit 23 Jahren mittlerweile, länger als jeder andere Landrat in Schleswig-Holstein. Kein Wunder also, daß er auf die Frage, ob ihn noch irgend etwas überraschen könne, antwortet: "Nein, ich glaube kaum." Schnörkellos kommt ihm diese Antwort über die Lippen, mit einem leichten Lächeln, doch ohne jeden Anflug von Arroganz, eher mit dem Seufzer des alten Hasen, der in der Kommunalpolitik so ziemlich alles schon in irgendeiner Form erlebt hat.

"Gemeingeist und Bürgersinn" statt absolutistischer Bürokratie, so wollte es der preußische Staatsreformer Karl Freiherr vom und zum Stein, als er die Institution Landrat schuf. "Es muß eine dem Bürger nahe Verwaltungsebene geben, an der er selbst beteiligt ist." So hat vom Stein es gewollt, so formuliert Günter Kröpelin es noch heute.

"Wer ist denn der Landkreis? Die Menschen sind angewiesen auf Personen, die sich mit dem Kreis identifizieren und die sie auch mit dem Kreis identifizieren können", sagt Kröpelin. Auf den Landrat mithin. Der Landrat ist in schleswig-holsteinischen Landkreisen Chef der Kreisverwaltung und Vorsitzender im Kreisausschuß. Dem Kreistag steht der Kreispräsident vor; im Herzogtum Lauenburg ist es mit Helga Hinz eine Kreispräsidentin. "Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen", sagt der Landrat. "Eine gute Verwaltung hat die Aufgabe, an Gesetzen orientiert zu arbeiten, sie aber bürgerverständlich zu machen."

Das geht solange gut, wie Gesetze und Anliegen der Bürger nicht über Kreuz liegen. Passiert es doch, sieht der Landrat sich gefordert. "Dann muß man sich mit dem Amtsleiter und dem Bürger an einen Tisch setzen und eine Lösung finden. Wenn nötig auch mal durch eine großzügigere Auslegung der Vorschriften", sagt Kröpelin. "Und man muß als Landrat jederzeit für den Bürger zu sprechen sein."

Das hat bisweilen kuriose Auswirkungen. So wurde Kröpelin, der - qua Amt - auch Aufsichtsratsvorsitzender einer Wohnungsbaugesellschaft ist, einmal am Heiligabend von einem aufgebrachten Bürger angerufen: "Der war alleinstehend und hatte sich zu Weihnachten eine Satellitenschüssel gekauft. Jetzt bekam er das Ding allein nicht montiert. Erst hatte er es beim Geschäftsführer der Gesellschaft vesucht und niemanden erreicht. Nun meinte er, daß ich ihm selbstverständlich helfen müßte, damit er Weihnachten anständig fernsehen kann."

132 Städte und Gemeinden hat der Landkreis Herzogtum Lauenburg. Viel Arbeit für den Landrat und seine Kreisverwaltung. "Viele kleine Kommunen können sich eine vielseitig differenzierte Verwaltung gar nicht leisten. Da müssen wir Hilfestellung geben." Regelmäßig besucht er deshalb die Bürgermeister. "Diese Besuche laufen oft ganz anders ab als geplant, weil man spontan dann doch auf andere Themen kommt, als vorher abgesprochen", so der Landrat.

Verwaltung ist ein für Kröpelin prägendes Wort. Der Jurist war nach seinem Studium zunächst Verwaltungsrichter in Schleswig. ?Da war ich herrlich frei. Aber ich fand es unbefriedigend, daß man als Richter die "inge erst auf den Tisch bekommt, wenn etwas schiefge-

Herzogtum Lauenburg

Fläche: 1263 Quadratkilometer. Einwohnerzahl: 165 500.

Bevölkerungsdichte: 131 Einwohner pro Quadratkilometer.

Kreistag: 19 CDU, 19 SPD, 5 Grüne, 2 FDP.

Zum Landkreis gehören die Städte Geesthacht, Lauenburg, Mölln, Ratzeburg und Schwarzenbek sowie 127 Gemeinden.

gangen ist. Nun hatte mir ein Vorgesetzter in die Beurteilung geschrieben, daß ich auch für die allgemeine Verwaltung sehr geeignet sei. Die ministerielle Ebene war mir zu abstrakt, und weil ich ein überzeugter Landmensch bin, habe ich mich für das Amt des Landrats beworben." Das war 1974. Seitdem ist Kröpelin zweimal wiedergewählt worden. Seine jetzige Amtszeit wird seine letzte sein. Der gebürtige Neustrelitzer ist bis 2005 gewählt. In Pension geht er spätestens 2002.

Früher zu gehen, eventuell schon im nächsten Jahr - ein Gedanke, den er schnell wieder beiseite schiebt. 1998 werden im Zuge der Kommunalwahlen viele Landräte bereits direkt von den Bürgern gewählt. So will es die neue Kommunalverfassung Schleswig-Holsteins. Kröpelins Sorge: "Der Kreistag ist kein Parlament. Er ist Teil der Selbstverwaltung. Ich befürchte durch die Direktwahl eine weitere Politisierung der Verwaltung." Die soll es im Herzogtum Lauenburg nicht geben - vorerst nicht. Deshalb bleibt er Heber im Amt, als ein Garant der Stabilität.

Stabilität, um sein wichtigstes AnHegen noch umzusetzen: die wirtscnafltiche Stärkung des Kreises. "Gewerbeflächenmanagement" nennt der Landrat das. "ahinter verbirgt sich die Idee, Gewerbeansiedlung nicht nur den Städten und Gemeinden zu überlassen, sondern mit einer

Wirtschaftsförderungsgesellschaft auch als Landkreis zu beeinflussen. Herzogtum Lauenburg bringt dafür eine gute Voraussetzung mit. In Deutschland gibt es keinen anderen Kreis, der so viele eigene Flächen besitzt: 15 000 Hektar. "Damit kann man handeln", sagt Landrat Kröpehn und sorgt dafür, daß Grund und Boden in seinem Landkreis bezahlbar bleiben.

Stabilität auch vor dem Hintergrund rot-grüner Mehrheiten in Kreistag und Landtag, die es, so KröpeHn, "für die Verwaltung unberechenbarer" machen. "Einer hat die Verantwortung, auch in der PoHtik. Bei uns im Kreis ist es die SPD. doch die Grünen haben das Heft in der Hand. Da wedelt oft der Schwanz mit dem Hund." Der Landrat mahnt: "Wer die Verantwortung hat, muß sie auch wahrnehmen."

Der Lauenburger Landrat jedenfalls nimmt sie wahr, und das gerne: "Es gibt kaum einen Beruf, der so vielschichtig und so unabhängig ist. Landrat zu sein, ist die schönste Aufgabe in der Verwaltung."