Von HANNA-LOTTE MIKUTEIT Lauenburg/Boizenburg - Girlanden und Blumen schmückten die kahlen Wände. Der große Saal des Boizenburger Kulturhauses ?Kurt Bürger' T war bis auf den letzten Platz besetzt, als die Stadtvertreter aus Boizenburg und Lauenburg mit fünf Unterschriften ihre Partnerschaft besiegelten. Mit Tränen in den Augen sangen alle zusammen das Mecklenburg- und das Schleswig-Holstein-Lied. Danach wurde bis spät in die Nacht geredet. Man schrieb den 29. Aprü 1990.

Was so hoffnungsvoll begann, ist längst deutsch-deutsche Normalität. "Die Stimmung ist umgeschlagen", weiß Jens Meyer, Chef der SPD-Fraktion und amtierender Bürgermeister Lauenburgs. "Aus der anfänglichen Euphorie wurden Härte und Mißtrauen."

"Jeder hat sein Päckchen zu tragen", sagt Veronika Staalkopff, Sozialamtsleiterin und Vertreterin des zur Zeit ausgefallenen Boizenburger Bürgermeisters Uwe Wieben (FDP).

Man lädt sich zu Neujahrsempfängen und Jublläen ein, Schützen und Sportler treten gegeneinander an, die Feuerwehren kooperieren. Aber von den großen gemeinsamen Plänen ist wenig geblieben. Zwar gründete man 1990 gemeinsame Stadtwerke, doch weder wirtschaftliche Zusammenarbeit noch rege Kontakte in der Bevölkerung gibt es im Jahre 7 nach der Wende. Die Partnerstädte an der Elbe sind heute, allen offizieüen Beteuerungen zum Trotz, vor aüem eines: Konkurrenten.

Wie groß inzwischen die Kluft ist, wurde erst jetzt offenbar, ausgerechnet durch eine Steüungnahme der Lauenburger CDU- Fraktion zum Boizenburger Krankenhaus. Einst von den Partnerstädten gemeinsam geplant, zerschlug sich das deutsch-deutsche Vorzeigeprojekt im vergangenen Jahr, als das Land Schleswig-Holstein zugesagte zehn Millionen Mark zurückzog. Mit einem Hungerstreik brachten die Boizenburger ihren Landessozialminister dazu, den Bau in abgespeckter Version aüein zu verwirküchen. Als jetzt die Krankenkassen ihren Versorgungsauftrag kündigten, holte Lauenburgs CDÜ- Sprecher Niclas Fischer zum Rundumschlag aus: "Auch die Partnerstadt Boizenburg wird sich in Zukunft darauf einstellen müssen, daß das Geld für derartige Projekte im Osten selbst erarbeitet werden muß." Er sieht durch den geplanten Neubau im Mecklenburgischen den Bestand des Lauenburger Krankenhauses gefährdet.

In Boizenburg brach ein Sturm der Entrüstung los, im Westen bemüht man sich um Schadensbegrenzung. "Eine Einzelstimme", meint Bürgermeister Meyer, der den Neubau nach wie vor unterstützt. Aber Fischer bekam auch Zustimmung, denn nicht nur in Sachen Krankenhaus läuft das ostdeutsche Städtchen dem nur zehn Küometer entfernten westdeutschen Partner mittlerweüe den Rang ab. Während die einstige Grenzstadt jenseits der Elbe den Wirtschaftsaufschwung zu schaffen scheint, ist Lauenburg längst wieder in den Dornröschenschlaf der Vorwendezeit gefaüen.

Mehr geworden ist nur der Verkehr auf der Bundesstraße 5. Schon seit 1949 kämpfen die Lauenburger für eine Umgehungsstraße, um die Autos aus der ständig verstopften Oberstadt herauszuhalten. Bis ins Jahr 2005 wurden sie vertröstet. Die Boizenburger dagegen bekamen ihre Ortsumgehung prompt. In nur zwei Jahren war die 39 Müüonen teure Straße fertig. "Da wird man schon neidisch", räumt Meyer ein. Ähnlich sieht es bei den Städtebaufördermitteln aus. Mit 25 Mühonen Mark sanierte die Elbschifferstadt in den 80er Jahren Teile der malerischen Unterstadt. 1990 war damit schlagartig Schluß. Boizenburg hat seitdem 26 Müüonen bekommen.

Am deutlichsten jedoch klafft der Ost-West-Konflikt in der wirtschaftlichen Entwicklung. Während sich im Boizenburger Gewerbegebiet 26 neue Firmen niederließen, darunter die "Gummibear Factory" eines Lauenburger Geschäftsmanns, zählte man in Lauenburg gerade zwei Neuansiedlungen. "Mit Fördersätzen von 50 Prozent können wir nicht konkurrieren", seufzt Meyer. In Lauenburg fiel statt dessen auch noch die Zonenrandförderung weg. Sogar die Ärbeitslosenquote ist im Osten trotz des Abbaus von 3000 Stellen - mit etwa zehn Prozent geringer als in Lauenburg, wo mehr als elf Prozent registriert sind.

"Die Städtepartnerschaft hat Lauenburg nicht befruchtet", konstatiert Heinz Zubke, Vorsitzender des Gewerbevereins. ..Was fehlt, ist das Verbindende."