Von HANNA-L. MIKUTEIT Boizenburg - Das Schild vor der Marienkirche ist nicht zu übersehen. "Hungerstreik" steht da, rot auf weiß. Sorgfältig gepinselt, an einer eigens aufgestellten Wand, als ob es noch eine Welle halten soll. Daneben: "Krankenhaus Boizenburg - Das Grab der deutschen Einheit".
Drinnen sitzen drei Männer und eine Frau. Blaß, müde, ein bißchen zittrig schon. Bürgermeister Uwe Wieben (FDP), der Landtagsabgeordnete Till Backhaus (SPD), Notarzt WUfried Heß und Oberschwester Monika John sind zum Äußersten entschlossen: "Wir hören nicht auf, bis wir eine konkrete Zusage haben, daß die Künik kommt."
Seit 1991 sind den Boizenburgern 130 neue Krankenhausbetten versprochen. Als grenzüberschreitendes Modellprojekt, ein Kind der deutschen Einheit, beschlossen die Partnerstädte Lauenburg und Boizenburg, gemeinsam eine Klinik zu bauen. Mecklenburg-Vorpommern übernahm 40 Millionen Mark der Kosten, Schleswig-Holstein zehn. Doch jetzt hat Kiels Sozialministerin Heide Moser die Investition gestrichen. Grund: kein Bedarf, kein Geld. Jetzt ist der Neubau gefährdet. Bis zum 31. Juli wül der Träger ausrechnen, ob sich die Künik auch mit 100 Betten betreiben läßt.
"Boizenburg ohne Krankenhaus ist unverantwortüch." Schon auf den Straßen rund um die Stadt hängen weiße Bettlaken, Krankenhauslaken. Am Marktplatz sammeln Schwestern Unterschriften. 850 an einem Tag. Kaum einer der 12 000 Boizenburger, der nicht dabei wäre. Gestern abend demonstrierten wieder 3000. "Schlleß- Uch kann ja auch uns mal was passieren" - und dann ist der Weg ins nächste Krankenhaus weit. Zu weit?
Ja, meint Notarzt Heß und berichtet von einem Patienten mit Rauchvergiftung, der ohne das alte Boizenburger Krankenhaus gestorben wäre. Nein, meinen Sozialministerin Moser und die Krankenkassen. Die Krankenhäuser der Umgebung, etwa in Geesthacht, seien nicht mal ausgelastet.
Der Sozialminister von Mecklenburg-Vorpommern, Hinrich Kuessner (SPD), sagt: "Wir stehen zu unserer Finanzierungszusage." Im Gespräch sind nun auch andere Modelle. So könnte man sich im Sozialministerium vorstellen, die alte Klinik umzubauen. - Die Hungerstreikenden sind erst mal zufrieden. "Wü mußten eine drastische Maßnahme ergreifen", sagt Bürgermeister Wieben, "damit man uns wahrnimmt."