In den 60er Jahren gehörte er zu den "Kritischen Reallsten", setzte Gesellschaftskritik akribisch genau ins Bild. Heute ist sein Stil malerischer, heftiger, gelöster: Die Hamburger Kunsthalle zeigt Jetzt auf Kampnagel neue Arbeiten des Berliner Kunstlers Wolfgang Petrick (Jahrgang 1939).

Dämonen und Fratzen, Schreckens-Gestalten einer technisch-zivilisierten Welt, beherrschten schon früh seine Bilder. Auch heute sind seine Motive ein Panoptikum des Grauens. Nur die Mittel, mit denen er seine Wesen in Szene setzt, haben sich geändert. In der Fabrikhalle K 3 umzingeln wandhohe Formate, größtenteils in den letzten drei Jahren entstanden, den Besucher.

Wolfgang Petricks Figuren stürzen, werden hin- und hergerissen, taumeln. In übermächtiger Größe bedrängen sie den Betrachter. Ihre Körper sind halb Mann, halb Frau. Absurd verrenkte Glieder kleben am Leib, verzerrte Fratzen sitzen auf Rümpfen, tote Augen glotzen starr ins Unendliche. Es

sind Figuren des Übergangs, des Untergangs. Diese Zwitter führen auf Petricks Großformaten ihr gespenstisches Eigenleben, von Aggression, Trieb und Ohnmacht gejagt.

Wolfgang Petrick hat seine Entwicklung vom detailgenauen Realismus zur heftig-expressiven, metaphorischen Malerei selbst einmal so beschrieben: "Mich beschäftigt nach wie vor die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Aber jetzt geht es mehr um meine Wirkchkeit, um persönliche Inhalte."

Aus dem kritischen Abbild des Realen wurden Sinnbilder, Symbolträger, die nach Grund, Herkunft und Beschränkung menschlicher Existenz fragen.

Der Maler holt die Gesichter ganz nah heran, zwingt den Betrachter zur direkten Konfrontation. Viel Schwarz, Blutrot, aggressives Gelb und metallisches Grau schaffen Visionen zwischen Tod und Leben, in denen tierische und menschliche Aspekte ineinander übergehen. Fahlbleiche Gesichter, erstarrt wie Leichenmasken, Pferde, Vogelköpfe, Haifische mit Riesen-Mäulern geistern durch dieses Niemandsland.

Für seine Arbeit benutzt Petrick Vorlagen: Ausgehend von Fotografien, Reproduktionen aus Zeitungen oder wissenschaftlichen Büchern entstehen Vorzeichnungen.

Gern benutzt der Künstler hierfür auch den "Atlas der gerichtlichen Medizin" (Otto Prokops, 1963 in der DDR erschienen), eine Fall-Sammlung von Verbrechensopfern - ein Bilderbuch geschundener Körper. Mit Kohle skizziert er dann die Szene auf seine Riesenformate, um später Dutzende von Farb- Schichten darüber aufzutragen.

Nicht nur seine Bilder sind von Schreckens-Gestalten bevölkert. Auch großangelegte Rauminstallationen kreisen um dieses Thema. Vogelscheuchen-Wesen, zusammengesetzt aus Blech, Drähten, Textilien und anderen Fundstücken, kriechen, fallen, stolpern: die "Blinden" von 1978/79. In einer anderen überdimensionalen Installation setzt der Künstler sich mit seiner eigenen Herkunft auseinander: Der "Stammbaum" (1979-89) stürzt von allen Seiten auf den Betrachter ein; von oben fallen Gestalten herab, an den Seiten schauen Gesichter aus großen Bildern, und am Boden wird alles durch Unmengen von Spiegelglas gebrochen und widergegeben.

Max Beckmann sei sein "Vorbild, Vater", hat Petrick gesagt, weil er seiner Zeit als tief Betroffener existentiell Ausdruck gegeben habe. Petrick will der menschlichen Existenz auf den Grund gehen, seiner eigenen eingeschlossen. Dieser Findungsprozeß kreist um den Kampf zwischen Männlichem und Weiblichem, Leben und Tod, Lust und Schmerz. frä (bis 27. 5., di-fr 16-21 , sbd u. so 1 1 -21 Uhr, Katalog 35 Mark)