Von Horst Wisser

Hamburg - Mord oder Selbstmord? Das war die Frage an Freya Barschel (41), Witwe des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel, der am 11. Oktober 1987 in einem Hotel in Genf tot aufgefunden wurde. Im Studio Hamburg, wo Carlheinz Hollmann ein 20minütiges Gespräch für die RTL plus-Fernsehsendung "Klartext" (Sendezeit: Freitag, 18 Uhr, in "Schlag 6") aufzeichnen Ueß, benötigte Freya Barschel nur drei deutüche Worte für die Antwort: "Ich sage Mord."

Vier Tage, ehe sich Barscheis spektakuläre Ehrenwort-Pressekonferenz vom 18. September jährt, bleibt seine Witwe bei der Mordtheorie. Bis heute Uegt der Untersuchungsbericht für die Genfer Obduktion nicht vor. Warum nicht?

"Da sind poütische Kräfte am Werk, die das verhindern wollen", sagte Freya Barschel gestern dem Hamburger Abendblatt, "nicht nur die Schweizer Behörden blocken ab, auch die Staatsanwaltschaft in Lübeck."

Welches Motiv hätte es denn überhaupt für einen Mord gegeben? "Mein Mann hat viel gewußt. Über Geschäfte, die Uefen und laufen. Er ist für bestimmte Gruppen zum Sicherheitsrisiko geworden." Welche Geschäfte, die U-Boot-Affäre zum Beispiel? "Nein, aber andere ..."

Warum hatte Uwe Barschel in Genf das von Waffenhändlern bevorzugte Hotel "Beau Rivage" gewählt und nicht das benachbarte Hoüday Inn? "Ich weiß es nicht", sagt die Witwe cool, "ich weiß nur, daß er nie über einen Selbstmord geredet hat. Eine Tüte mit Medikamenten hat doch auch zu Hause zwei Tage rumgestanden. Vor seinem Abflug hat er noch zwei Puppen gekauft, die in spanisches Papier eingewickelt waren. Er wollte sie den Kindern mitbringen."

Freya Barschel glaubt an eine kürzhch in die Öffentlichkeit gelangte These, wonach der frühere Regierungschef schon bewußtlos war, als er die töd- Uche Dosis Schlaftabletten bekam. Gerichtsmediziner entdeckten emen Bluterguß quer über dem oberen Hinterkopf.

Ist ein nicht zu bremsender Ehrgeiz die Triebfeder für Barscheis Handeln gewesen, das ins Waterioo führte?

"Er war arbeitswütig, wollte immer Neues schaffen und eigentllch nur noch zwei Jahre Polltik machen." Wollte er heraus aus der Polltik? "Ja, er wollte aussteigen. Kanada, Australien oder Neuseeland lockten ihn. Aber dort wäre er nur vorübergehend geblleben. Er wollte sich auch beruflich neu orientieren, in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft."

Und Barscheis stark ausgeprägtes Machtbewußtsein? "Ich habe ihn nie als machtbesessen empfunden. Als Mensch war er sehr sensibel, sehr weich und vor allem unkonventionell."

Ist Frau Barschel seit dem Tode ihres Mannes dem CDU-Landesvorsitzenden Gerhard Stoltenberg schon wieder begegnet? "Nein". Sie hatte ihn bei der Trauerfeier als einen der Redner abgelehnt. Warum? "Er hatte meinem Mann nicht genügend Rükkendeckung gegeben. Einer allein ist nie schuld. Die Partei hat mehr gewußt, als sie jetzt zugibt."

Wie geht es den vier Kindern? "Sie haben den Schock überstanden. Es geht ihnen gut. Sie glauben an ihren Vater, nach wie vor . . ."

Welche Fehler haben Sie gemacht? "Mein Mann war zuwenig zu Hause. Und wenn er da war, haben wir nicht über Beruf und Politik geredet. Vielleicht hätte ich mehr fragen sollen."

Wie geht das Leben weiter? "Ich bin mehr unterwegs und freue mich an den schönen Dingen."

Brauchen die Kinder wieder einen Vater, wird es eines Tages einen neuen Mann geben? "Eine starke Hand brauchen sie schon. Aber ich forciere nichts und lasse alles auf mich zukommen."