Von Manfred Heun
Hamburg - Während Vereinspräsident Rolf-Dieter Wollenhaupt in seinem dunkelgrünen Lodenmantel nach dem Abpfiff einen Freudentanz aufführte, genoß Altonas Trainer Willi Reimann die große Hamburger Pokalüberraschung ganz still und fast in sich gekehrt. Nach dem 3:0- Sieg des Verbandsliga-Vizemeisters Altona 93 über den hoch favorisierten Oberligazweiten FC St. Paull vor 4745 zahlenden Zuschauern auf der "Hoheluft" nahm er die Glückwünsche der Spieler und Fans mit Skepsis entgegen. "Im Hinbück auf das erste Oberliga-Aufstiegsspiel am kommenden Sonntag in der Adolf-Jäger-Kampfbahn gegen den SV Wolfenbüttel wird es nun schwerer für uns", so der frühere Bundesligaspieler des HSV, "denn mit diesem 3:0 haben wir in dieser Saison schon fast zuviel erreicht . . ."
In der Tat schaffte Altona 93 als Aufsteiger auf Anhieb den zweiten Platz und damit die Oberliga- Qualifikation. Außerdem wurden im DFB-Pokal mit dem SC Concordia (2:1), SV Lurup (1:0) und nun FC St Paull alle drei Hamburger Oberligaklubs besiegt. "Das ist doch eine große Leistung", sagte Reimann. Nun aber wül der 34jährige Trainer dafür sorgen, daß seine Spieler "nicht abheben."
Unter dem Eindruck eines ganz großen Erfolges waren die Zuschauer und Altonaer Spieler in großartiger Stimmung. Libero Walter Frosch: "Was hab' ich gesagt, mit unserem cleveren Spiel holen wir auch den Cup. Wir sind nicht ins Verderben gestürmt", und zog erst einmal tief an einer Zigarette. Torhüter Manfred Möller, der bei Schüssen von Oldenburg (44.) und Phüipkowski (73.) das 0:1 bzw. 1:1 verhindert hatte: "Wir haben zwar lange unter starkem Angriffsdruck St. Pauüs gestanden, aber der Gegner hat zu unüberlegt gestürmt" Und Robert Schubert der antrittsschnelle Rechtaußen, der zwei Treffer vorbereitet und ein Tor selbst erzielt hatte: "Von soviel Platz bei Kontern kann man als Stürmer nur träumen."
Daß St Paull nach dem 0:1- Rückstand überhastet stürmte und dem Gegner den Platz für Konter einräumte, fiel auch neutralen Beobachtern auf:
- HSV-Manager Günter Netzen "Altona war klug beraten, dem StPaull-Regisseur Bargfrede wenig Spielraum zu lassen. Nur er hätte gefährlich werden können." ? "Edu" Preuß, früher Spieler von Altona 93 und Trainer des FC St. Paull: "Klassisch ausgekontert - so hilflos habe ich St Paull lange nicht mehr gesehen." ? Walter Niemann, ehemallger Bundesliga-Schiedsrichter: "Ein Kompliment für MöUer, er hat Altonas Sieg gerettet."
Im - fassungslosen - Lager des FC St Paull gab es nach dem bitteren 0:3 Selbstkritik. Präsident Dr. Otto Paullck sprach ungeniert von "taktischen Fehlern", und Stellvertreter Horst Hempel erläuterte: "Der Mannschaft fehlte jeglicher Biß. Sie wollte nur mit spielerischen Mitteln zum Erfolg kommen." Und das war auf dem unebenen Platz kaum mögllch.
Und Trainer Michael Lorkowski? Er suchte die Fehler nur bei den Spielern. "Einige haben nicht das Zeug, in den bezahlten Fußball zu gehen." Daraufhin Willi Reimann, nun ganz locker: "Dann gib' mir doch einige von Deinen . . ."
Trotzdem - es war ein schöner Fußballabend. 28 000 Mark Einnahme, jeder Klub bekam 12 000 Mark zuzügüch der Totoprämie von 15000 Mark (Altona) und 10 000 Mark (St. Paull).
Tore: 1:0 Dämmich (57., nach Schubert-Flanke), 2:0 Schubert (84., nach Gronau-Fehler), 3:0 Dämmich (88., Kopfball nach Flanke von Schubert). - Schiedsrichter Kopka (HT 16) beendete seine Laufbahn mit einer guten Leistung. - Zuschauer: 5000. - Zeitstrafe: Garbe (Altona - 22.). - Gelbe Karten: Metz, Garbe, Knödel.