Osnabrück, 17. Dezember.
"Wenn ich sagen würde, daß der HSV gut gespielt hat, würde ich ihn beleidigen …" Mit dieser Bemerkung "krönte" Emil Izso, der ungarische Trainer des VfL Osnabrück, sein Referat über das Spitzenspiel an der Bremer Brücke In Osnabrück, das die Meisterelf 5:1 (1:0) über den VfL gewonnen hatte.
Anderer Meinung waren nicht allein viele Zuschauer, sondern ebenso Izsos Trainerkollege beim HSV, Martin Wilke.
Er sagte: "Meine Mannschaft legte den Grundstein zum verdienten Erfolg mit ihrem taktisch klugen Spiel bereits in der ersten Halbzeit, als es galt, sich gegen den ehrgeizigen Gegner und den starken Wind zu behaupten. Ich bin froh darüber, daß die Ersatzleute Krämer und Stapelfeld ihre Kameraden Schnoor und Meinke so ausgezeichnet vertraten. Hervorragend nenne ich auch die Leistung von Wulf und Bahre. Dörfel unterstrich seine glänzende Form gegen den starken Verteidiger Altenkirch."
Die Frage nach dem Urteil über Uwe Seeler beantwortete Wilke sehr energisch: "Hätten Sie Uwes Schienbein in der Pause gesehen, dann würden Sie darüber staunen, daß er überhaupt weiterspielte. Dörfel wäre sicher nicht so wirkungsvoll gewesen, wenn man ihn am Mittwoch im Dortmunder Probespiel der Nationalmannschaft eineinhalb Stunden durch den Morast gejagt hätte."
Meinung hin, Meinung her – Trainer Izso liegt jedenfalls mit der Auffassung, daß es mit den Stammspielern Bulik, Deters und Beckmann (alle verletzt) besser gelaufen wäre, richtiger als mit der Behauptung. Meinkes Ausfall beim HSV zähle nicht, weil er ohnehin seit Wochen der schwächste Mann sei oder gar mit dem Hinweis, daß ihm in Hamburgs Zeitungen Unrecht widerfahren wäre, weil er weder beim HSV noch zuletzt in Bergedorf mit Doppelstopper hätte spielen lassen.
In Osnabrück: sah man eine glänzend eingestellte HSV-Mannschaft, die sich den Sieg mit Klugheit, Nervenstärke und einem feinen Einsatz erspielte. Niemand wird behaupten, es sei eines der ganz großen Gefechte dieses Jahres gewesen. Aber schließlich kann keiner leugnen, daB der HSV einen der stärksten Vereine des Nordens, einen ernsthaften Bundesliga-Kandidaten, auf eigenem Platz erneut sicher schlug.
Das 3:1 gehört in vollem Umfang der ganzen Mannschaft: Dem Torhüter Krämer, der mit zwei bestechenden Aktionen einen möglichen Rückstand verhinderte; dem unerschütterlichen Verteidiger Krug und dem in Osnabrück mehrfach zu harten Kurbjuhn, dem nicht fehlerlosen, doch mit Erfolg kämpfenden Stapelfeld, den beiden großartigen Außenläufern, von denen Dieter Seeler seinen Kameraden Jürgen Werner übertraf, dem Angriff, der mit Reuter und vor allem Dörfel als gefährlichstem Stürmer, mit Bahre und Wulf als unermüdlichen Mittelfeld-Motoren und mit Uwe Seeler als einem ständig pendelnden, oft dirigierenden Initiator immer eine Gefahr blieb. Der unbarmherzig am Mann klebende Türk machte es dem "Dicken" nicht leicht.
Während des ganzen Kampfes gab es nur eine Phase, in der eine Niederlage des HSV möglich schien. Das waren die zehn Minuten, die dem 1:1 folgten, mit dem Lattek (wunderschöner Kopfstoß in der 52. Minute) die bereits in der 14. Minute durch einen von Uwe Seeler geschossenen und von Reuter berührten Ball erzwungene Führung der Hamburger ausglich. Aber der HSV überstand den mächtigen Druck, den von einem völlig aus dem Häuschen geratenen Publikum leidenschaftlich unterstützten Großangriff dee VfL Osnabrllck.
Wie schon oft, so goß der Meister in diesem gefahrbringenden Spielabschrütt auf die ihm eigene und gefürchtete Weise öl in die Wogen: Zunächst traf Uwe Seeler die Querlatte, dann jagte Dörfel den Ball für Torwart Schelp unerreichbar in die lange Ecke (75. Minute), und zwei Minuten später wuchtete Reuter einen Freistoß mit einem wundervollen Schuß zum entscheidenden 3:1 ins Netz.
Damit war der Kampf entschieden. Die weiteren Bemühungen des VfL galten – die Anleihe beim Eiskunstlaufen sei gestattet – der notwendigen, doch lustlos gelaufenen Pflicht, während der HSV seine siegreiche Kür mit einigen übermütigen und verspielten Schlenkern beendete.
VfL Osnabrück: Schelp; Altenkirch, Kuhlmann; Türk, Willmann. Wöbker; Wiethe, Haseldiek, Lattek, Iwancik, Ernst.
HSV: Krämer; Krug, Kurbjuhn; Werner, Stapelfeld, Dieter Seeler; Reuter, Bahre, Uwe Seeler. Wulf. Dörfel.