Anonym und unbestechlich: Abendblatt-Reporter testen den Service der Luxus-Marken. Dieses Mal: das Traditionshaus Hermès am Neuen Wall.

Fast ein wenig ehrfürchtig betrete ich den edlen Laden am Neuen Wall. Bin ich überhaupt richtig angezogen? Sehen die Mitarbeiter mir nicht sofort an, dass ich eigentlich nicht zum Kundenstamm von einer Marke wie Hermès gehöre? Und behandeln mich allein schon deshalb vielleicht anders als ihre „richtigen Kunden“? Ich habe mit diesem Geschäft nämlich schon so meine Erfahrungen. Bei einer Abendblatt-Umfrage wurde ich vor einigen Jahren ausgesprochen unfreundlich behandelt und regelrecht aus dem Laden geschmissen.

Vorsichtig öffne ich die schwere Glastür und schleiche beinahe lautlos in Richtung Tresen. Am frühen Morgen ist es noch relativ leer in dem vornehmen Geschäft. Ein großer schlanker Mitarbeiter gibt seiner Kollegin ein lautloses Handzeichen. Sie kommt sofort, um mir ihre Hilfe anzubieten.

„Ich habe ein Hermès-Tuch geschenkt bekommen. Muss aber zugeben, dass ich mit dem Motiv nichts anfangen kann. Gibt es eine Möglichkeit, das Tuch zu tauschen“, frage ich beinahe schüchtern. Und hole das original verpackte Carré-Tuch aus meiner Tasche, ein Hemès-Klassiker. Der orangefarbene Karton scheint einer der Gründe zu sein, warum sich die Mitarbeiterin sofort offen zeigt. Sie nimmt das Tuch vorsichtig heraus und sucht nach dem eingestickten Label. „Ich muss einmal schauen, ob das auch wirklich von uns ist“, sagt sie beinahe entschuldigend und lächelt. „Nicht, dass ich Ihnen etwas unterstellen wollte…“

Eine zweite Kollegin hat sich dazu gestellt. Der zeigt meine Verkäuferin nun das Tuch. „Grundsätzlich ist ein Umtausch kein Problem“, sagt diese freundlich. „Allerdings ist dieses Tuch schon ein älteres Modell, das wir nicht mehr im Geschäft haben. Da muss ich meine Kollegin fragen, ob wir das noch zurücknehmen können.“ Schnell verschwindet die junge blonde Frau mit dem guten Stück.

Aus der Entfernung sehe ich, wie besagte Kollegin ihren Kopf schüttelt, die Antwort ist also klar. „Es tut mir wirklich sehr leid, wir können das Tuch nicht zurück nehmen“, sagt die freundliche blonde Frau. „Das Modell ist einfach zu alt, das haben wir seit ein oder zwei Jahren nicht mehr im Sortiment.“ Noch einmal prüft sie die Nähte und riecht sogar an dem Stoff. „Das Tuch ist wirklich unbenutzt“, sagt sie und wirkt ehrlich zerknirscht. Beinahe erleichtert scheint sie, dass ich die Absage so gelassen hinnehme. Schließlich weiß sie ja nicht, dass das Geschenk bereits seit mindestens sechs Jahren in meinem Kleiderschrank liegt.

„Darf ich ihnen einen kleinen Tipp geben“, sagt sie schnell. „Vielleicht mögen Sie das Tuch im Internet bei Ebay zum Verkauf anbieten. Es ist 280 Euro wert. Und gerade dieses Modell ist ein Sammlerstück, weil es nicht mehr erhältlich ist. Es gibt viele Liebhaber, die bereit sind, den Preis zu zahlen. Versuchen Sie es doch einmal.“ Ich bedanke mich höflich für den freundlichen Rat. „Aber grundsätzlich ist ein Umtausch kein Problem“, hake ich nach. „Nein, mit Kassenbon schon gar nicht. Und auch ohne Bon tauschen wir eigentlich Ware gegen Ware. Allerdings haben die neuen Hermès-Carré-Tücher ein kleines Schildchen. Das macht den Umtausch leichter.“

So schnell entkommt mir die Verkäuferin heute aber noch nicht. „Vielleicht haben Sie einen Tipp, wie man ein solches Tuch etwas moderner bindet, dass es vielleicht auch mir gefällt“, frage ich. Die Antwort kommt prompt. „Oh ja, da gibt es so viele Varianten. Sie können es als Gürtel in der Jeans tragen, im Sommer um eine Leinenhose binden. Diese Tücher sind wirklich vielfältig nutzbar.“ Ich zeige mich interessiert. „Warten Sie einen Moment, wir haben eine Anleitung“, sagt meine Verkäuferin und verschwindet, nur um mir wenige Sekunden später einen kleinen Karton in die Hand zu drücken. „Das ist eine Anleitung in Form eines Kartenspiels. Auf der einen Seite sehen Sie die Erklärung, wie das Tuch zu binden ist. Auf der anderen befindet sich ein Foto eines Models, das das Ergebnis präsentiert.“ Ich stecke die kleine Kartenbox begeistert ein.

Gebe mich allerdings noch immer nicht ganz geschlagen: „Nur so aus Interesse: Können Sie mir noch einmal die aktuellen Carré-Modelle zeigen?“, frage ich. Natürlich kann sie. In der großen Schublade unter dem gläsernen Tresen gleich neben der Eingangstür liegen die Klassiker in allen Farben. Die Verkäuferin greift eines heraus. „Schauen Sie mal, so als Dreieckstuch kann man das Carré wunderbar tragen. Auch jetzt im Winter. Oben drüber passt nämlich noch ein Schal“, sagt sie und führt die Tragevariante gleich noch einmal vor. „Oder um den Bauch“, und zeigt auf ihr Tuch, dass sie sich umgebunden hat.

Nun habe ich die Geduld der jungen Frau wirklich genug getestet, denke ich. Und verabschiede mich. Mit einem freundlichen Lächeln wird mir ein schöner Tag gewünscht und die große Glastür aufgehalten. Als ich vor dem Laden stehe, denke ich, dass ich hier wieder reingehen würde. Und beim nächsten Mal ohne dieses Gefühl, vielleicht nicht elegant genug gekleidet zu sein.

Kundenfreundlichkeit: Die Verkäuferinnen waren sehr bemüht, ausgesprochen freundlich und geduldig.

Service: Umtausch ohne Kassenbon ist in den meisten Fällen bei Hermès möglich, allerdings nur Ware gegen Ware oder Ware gegen Gutschein. Zudem muss sich das Produkt im Originalzustand und in der Originalverpackung befinden. Das kleine eingenähte Schild erleichtert darüber hinaus das Prozedere.

Kompetenz: Die Verkäuferinnen wirken kompetent, nur bei einer besonderen Nachfrage – wie im Fall des veralteten Hermès-Carré-Tuchs - erkundigen sie sich bei Kollegen oder Vorgesetzten.

Adresse: Hermès, Neuer Wall 40, 20354 Hamburg

Informationen zur Marke:

Hermès ist eins der ältesten Traditionshäuser Frankreichs: 1837 von Thierry Hermès als Sattler-Atelier für Pferdegeschirr in Paris gegründet, avancierte es schon bald zum Lieferanten luxuriöser Lederwaren, zunächst für Ross und Reiter, später für stilbewusste Automobilbesitzer. Die Hermès-Familie setzte ganz auf den Aufschwung der Reisegepäckindustrie, von der Kelly-Bag, über die Brieftasche („Sac à depêche) bis zur berühmten Reiterjacke. Nahezu alle Modelle werden schnell zu Kultobjekten. Von Beginn an ist die Pferdekutsche, eine Bleistiftzeichnung des Malers Alfred de Dreux, Firmenlogo und ziert sämtliche Hermès-Produkte, auch die signifikante orangefarbene Kartonage.

Es sind Prominente wie Ingrid Bergman, Jackie Kennedy und die Herzögin von Windsor, die dem Haus Weltruhm bescheren, indem sie Hermès tragen. Aber nur zwei Damen widmet das Couture-Haus eine eigene Handtasche: die Kelly-Bag, erfunden in den 30er-Jahren, erringt durch ein Foto im Life-Magazin Weltberühmtheit, das Grace Kelly 1956 bei den Filmfestspielen in Cannes mit der trapezförmigen Tasche mit Trageriemen zeigt. Und, 30 Jahre später, die Birkin-Bag, die der damalige Firmenchef Jean Louis Dumas zusammen mit der britischen Sängerin Jane Birkin während eines Fluges von New York nach Paris auf einer Serviette entwirft. Sie wird heute zu Preisen zwischen 5000 und 50 000 Dollar gehandelt, Kundinnen warten zum Teil mehrere Jahre auf ein Modell.