300 Neugründungen gab es allein im vergangenen Jahr in der Hansestadt Hamburg. Vor allem kleinere Unternehmen drängen auf den Markt.
Hamburg. Seide, Spitze, Satin - es war ihr Faible für schöne Dessous, das die Hamburgerin Edlyn Mauke zum eigenen Webshop inspirierte. "Es gab damals kaum hochwertige Wäsche im Internet zu kaufen", sagt die 39-Jährige, die nach einem Indonesisch-Studium bei einem Start-up Berufserfahrung gesammelt hatte. So gründete Edlyn Mauke gemeinsam mit einer Freundin, die ihre Vorliebe teilte, den Onlineshop liaison-dangereuse.com (deutsch: gefährliche Liebschaft). Ihre Zielgruppe: Frauen, die edle Marken suchen. Und Männer, die sich persönliche Beratung per Telefon oder E-Mail wünschen. "Sogar Kunden aus Frankreich und Japan bestellen bei uns", erzählt sie. "Die Reichweite eines Onlineshops ist wirklich gigantisch."
Diese Erkenntnis teilt Edlyn Mauke mit einer stetig wachsenden Zahl von Geschäftsleuten. Allein 2010 haben 300 Hamburger einen eigenen Online- oder Versandhandel gegründet - acht Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus dem Gründungsbarometer der Handelskammer hervorgeht. Statistiken zur Gesamtzahl der kommerziellen Webverkäufer werden zwar nicht geführt, Schätzungen zufolge dürften es aber rund 5000 sein. "Hamburg ist einer der wichtigsten Standorte des Online-Handels in Deutschland", sagt Heiner Schote von der Handelskammer. "Viele hier ansässige Unternehmen nutzen die Chancen, die die neuen Internettechnologien bieten." Neben dem weltweiten Boom des E-Commerce sei auch die gute Infrastruktur in Hamburg ein Grund: Von Marketingagenturen über Social-Media-Spezialisten bis hin zu Logistikprofis haben sich zahlreiche Dienstleister angesiedelt, die ein Internethändler zum Erfolg braucht.
So sind neben europa- oder bundesweit führenden Händlern wie der Otto-Gruppe, Tchibo oder Globetrotter auch kleine Firmen auf dem Vormarsch: 65 Prozent der befragten Hamburger Online-Händler haben bis zu drei Mitarbeiter. Nicht einmal jede zehnte Firma hat mehr als 50 Beschäftigte. Das hat die erste repräsentative Branchenstudie der Handelskammer Hamburg ergeben, für die die Angaben von 115 Unternehmen aller Größenklassen ausgewertet wurden. Demnach dominieren die Einsteiger - jeder dritte Web-Händler ist kürzer als zwei Jahre am Markt.
Zu den Branchenneulingen zählt Stefanie Dimke aus Niendorf. Als zweifache Mutter musste sie jedes Jahr vor dem 1. Dezember 48 Beutel im Adventskalender füllen - eine zeitraubende Aufgabe neben ihrem Job als Buchhalterin. "Ich hätte ja gern etwas im Internet bestellt, aber es gab einfach keine schönen Kleinigkeiten", sagt die 40-Jährige. Schon war ihre Geschäftsidee geboren: Im Oktober ging Stefanie Dimkes Service Adventman.de online. Per Mausklick können Kunden virtuelle Säckchen mit Geschenken wie Armbänder, Playmobil-Figuren, Schokolade oder Duftkerzen befüllen. 600 Artikel stehen zur Auswahl, zu Preisen ab 35 Cent. "Die Resonanz war so gut, dass wir nächtelang durchgenäht und Beutel befüllt haben", sagt Dimke. "Unsere Investitionen von 25 000 Euro haben wir schon wieder hereingeholt."
Mehr als die Hälfte der Befragten setzt aber nicht allein aufs Netz. 55 Prozent der Online-Händler haben zusätzlich ein Ladengeschäft. "Offenbar entscheiden sich immer mehr stationäre Händler, mit dem Vertrieb über das Internet ein zweites Standbein aufzubauen", sagt Schote. "Und umgekehrt eröffnen erfolgreiche Online-Händler zunehmend Läden."
Diesen Weg ist auch Edlyn Mauke mit Liaison Dangereuse gegangen. Denn je bekannter der Webshop wurde, desto mehr Hamburger Stammkunden fragten an, ob sie die Ware mal im Lager probieren dürften. Deshalb verbringt Mauke ihre Tage jetzt in dem kleinen Geschäft, das sie vor zwei Jahren an der Langen Reihe eröffnet hat. Ihre Geschäftspartnerin Laurence Saunier, 35, kümmert sich um den Onlineshop. "Das ergänzt sich perfekt", sagt Mauke. "Bei gutem Wetter gehen die Leute spazieren und kaufen im Laden ein, bei Regen bestellen sie im Internet."
Offenbar sind die Hamburger Händler besonders erfolgreich mit Privatkunden: Während weltweit das Geschäft mit Unternehmenskunden 90 Prozent der Umsätze ausmacht, sind es in der Hansestadt laut der Handelskammer-Studie nur 30 Prozent. Auch sind Produkte wie Lifestyle-Artikel, Möbel und Haushaltsgeräte besonders stark vertreten - beim bundesweiten E- Commerce spielen sie eher eine geringe Rolle. "Nach wie vor sind Nischenmärkte eine gute Empfehlung, um im Online-Handel erfolgreich zu sein", sagt Stefan Stengel vom Beratungsunternehmen Glocal Consult.
Dass Stefanie Dimke mit ihren personalisierten Adventskalendern eine gefragte Nische gefunden hat, ist für sie ein Geschenk. "Damit ich nicht allzu abhängig von der Weihnachtssaison bin, arbeite ich gerade an einem ganzjährlichen Präsentservice", verrät sie. Der Name: Geschenke-Man.